Der 2020 Krisenblog
Zweiundzwanzigster Tag
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- Erstellt am Montag, 06. April 2020 21:21

Einundzwanzigster Tag
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- Erstellt am Sonntag, 05. April 2020 20:16
Der Regierung gelingt es, uns zu verwirren, während sich die Verlaufskurven im Hintergrund abzuflachen beginnen und uns schwant, dass die nun kommende Wirtschaftskrise opferreich werden könnte. Die schönen Träume, dass die Welt danach eine bessere sein könnte, wirken zu bemüht. Die Meldungen aus Ecuador von Leichen auf den Straßen sind Vorboten erwartbarer weiterer Meldungen aus den weniger glücklichen Ecken des Planeten. Inzwischen werden auch jene lauter, die eine Herdenimmunität erreichen wollen. Sie machen mir tatsächlich etwas Angst, wie viele Menschen wollen sie völlig isolieren, wenn draußen sich das Virus frei verbreitet und alle ihrem Tagwerk öffentlich nachgehen?
George Orwell (ja, der!) hat 1945 ein Essay über Nationalismus geschrieben, vor kurzem ist es auf Deutsch erschienen. Unter Nationalismus versteht er ganz allgemein nicht die Verbundenheit mit dem „eigenen“ Land, sondern die gelebte Überzeugung, dieses sei allen überlegen und der Rest der Welt habe sich nach ihm zu richten. Interessant ist, dass er auch andere Formen dieser jeder Überlegung bereits vorgeordneten Entscheidung über Gut und Böse, verzeihlich und unverzeihlich, als Nationalismus bezeichnet – aus Mangel an einem besseren Wort, wie er schreibt. So gehören für ihn auch der politische Katholizismus, der Kommunismus, der Trotzkismus dazu – heute würde er wohl auch noch den politischen Islam und einige andere Varianten dazuzählen. Nationalismus braucht also kein Land, es reicht auch eine Sache. Wesentlich sei die Bereitschaft, sich alles so zurechtzulegen, dass es die Überlegenheit der eigenen Sache bestätige, und die faszinierende Fähigkeit, nicht dazupassende Fakten völlig auszublenden.
Ja, ich hab das gestern Abend gelesen. Ein schmaler Text, viele der Argumente nicht unbekannt, in der Kompaktheit doch wieder gut. Und ich habe wieder eine Erklärung für meine leicht allergischen Reaktionen auf manch hingerotzte Erklärungsversuche, das sei jetzt alles ein Ausdruck des spätkapitalistischen Wahnsinns, des Unsinns der Globalisierung, der Überlegenheit Chinas, des Endes der EU oder was auch immer.
Der Palmsonntag ist auch schon wieder fast vorbei. Zeit, ein wenig mit Frühlingsfotos zu spielen, während mich als Dauergeräusch das Summen der hunderten Bienen begleitet, die die blühenden Kirschbäume abernten.
Zwanzigster Tag
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- Erstellt am Samstag, 04. April 2020 17:55
Es ist die große Kunst unserer nördlichen Nachbarn, die Sprache durch die Konzentration auf einige wenige Allzweckwörter zu vereinfachen. Weltbekannt ist ihr gelungener Versuch, durch „lecker“ alle Wörter über Geschmacksqualitäten zu ersetzen und durch „laufen“ sämtliche anderen Verben, die verschiedene Arten und Geschwindigkeiten der Fortbewegung zu Fuß bezeichnen. Ein weiteres Powerwort ist die Präposition „an“. Noch nicht ganz so erfolgreich wie „lecker“, aber immerhin: Gewalt wird nicht mehr gegen Personen ausgeübt, sondern „an“ Frauen, Kindern etcetera. Damit werden jene sprachlich gleich noch einmal zu Objekten gemacht. Nun eine Überschrift in der FAZ: „Was ist an Ostern erlaubt?“. Nur mehr wenig. „Gegen“ und „zu“ jedenfalls nicht mehr.
In einer Erzählung des SF-Autors Ted Chiang haben Wissenschafter einen Weg gefunden, um die Fähigkeit des Hirns, zwischen schönen und weniger schönen, ja hässlichen Gesichtern zu unterscheiden, auszuschalten. Nennt sich dort „Callignosie“. Studentische Aktivistinnen und Aktivisten sehen darin die große Chance, eine der Quellen von Diskriminierung trockenzulegen. Sie wollen die „Calli“ an der Uni verpflichtend machen und so einen Sieg gegen den Lookism erringen, also die Ungleichbehandlung aufgrund des Aussehens. Die Wissenschafter in dieser Geschichte meinen, Rassismus könne man „technisch“ leider nicht ausschalten. Da müsse man schon weiterhin auf Erziehung zählen.
Wie man sieht, geht es einfacher, den Lookism zu bekämpfen. Ein Stück Stoff genügt. Burkazwang wäre in Zukunft auch ein Mittel.
Christina hat das Maskentragen bereits vor Monaten in Berlin geübt.
Neunzehnter Tag
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- Erstellt am Freitag, 03. April 2020 18:01
Weil´s grad so um die vermeintliche Wiedergeburt der Staaten geht und darum, dass die EU im Hintergrund bleibt. Es geht ja im Alltag meist vergessen, aber Staaten bestehen aus einem Territorium (dem Staatsgebiet), der Staatsgewalt (Militär, Polizei, Justiz, Regierung etc.) und dem Staatsvolk. Auch wenn die Grenzen des Staatsgebiets im Schengenraum lange nahezu unsichtbar gewesen sein mögen, ändert es nichts daran, dass die Macht, etwas durchzusetzen, nötigenfalls auch gegen Widerstand, ausschließlich bei den Staaten liegt. Die Europäische Union ist eben ein Staatenbund und kein Staat. Sie hat keine eigene Exekutivmacht, kein Heer, keine Polizei, keine Gefängnisse, und eine zwar wichtige Justiz mit dem Europäischen Gerichtshof, die aber weit oben schwebt und nur sehr mittelbar in die Rechtsverhältnisse des Alltags eingreifen kann.
Worüber man sich wundern kann: Dass man in den Zeiten, als alles so seinen gewohnten Lauf nahm, ernsthaft glauben konnte, die Bedeutung der Staaten sei im Verschwinden. Nun muss man zur Kenntnis nehmen, dass dem nicht so ist, und dass die Staaten das tun, wofür sie da sind, nämlich sich um sich selbst und ihre Bevölkerung zu kümmern.
By the way: Ja, die Union als europäischer Bundesstaat wäre mir lieber, aber das spielt es halt nicht. Nicht nur wegen der Egoismen der Mitgliedsstaaten, sondern auch, weil der wirtschaftliche Entwicklungsstand und damit auch die Löhne, das Sozialwesen etc. dermaßen unterschiedlich sind. Im Vergleich dazu sind die USA ein Staat mit nur sehr geringen Unterschieden zwischen ihren Gliedstaaten.
Bleibt zu hoffen, dass die Union nicht schwächer wird in diesem Jahr. In dieser neuen Weltordnung wäre das keine gute Nachricht.
Von der angekündigten Wertschätzung der pflegenden und sozialen Berufe ist wohl wenig zu erwarten. So vermessen die Forderungen der Gewerkschaft bei den Kollektivvertragsverhandlungen der Sozialwirtschaft waren, so bescheiden ist das Ergebnis. Die Fallhöhe ist riesig. So wird es nix mit der „neuen Wertschätzung“ und den sich angeblich verändernden Prioritäten.
Mein Haar wächst, langsam aber sicher. Ob die Beschränkungen so lange dauern werden, dass ich am Ende aussehe wie mit 17 Jahren? Ich bin der Vordere auf dem Bild.
Der 2020 Krisenblog
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- Erstellt am Freitag, 03. April 2020 13:27
Seit dem zweiten Tag des Lockdowns führe ich auf Facebook ein Tagebuch mit Überlegungen nicht nur zur Coronakrise. Für all jene, die nicht bei Facebook sind, gibt es die Beiträge nun auch auf der Website, allerdings ohne die Kommentare, die von den Facebook-Friends beigesteuert wurden. Viel Vergnügen, und Ohren steif halten!
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