Der 2020 Krisenblog
Einundzwanzigster Tag
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- Erstellt am Sonntag, 05. April 2020 20:16
Der Regierung gelingt es, uns zu verwirren, während sich die Verlaufskurven im Hintergrund abzuflachen beginnen und uns schwant, dass die nun kommende Wirtschaftskrise opferreich werden könnte. Die schönen Träume, dass die Welt danach eine bessere sein könnte, wirken zu bemüht. Die Meldungen aus Ecuador von Leichen auf den Straßen sind Vorboten erwartbarer weiterer Meldungen aus den weniger glücklichen Ecken des Planeten. Inzwischen werden auch jene lauter, die eine Herdenimmunität erreichen wollen. Sie machen mir tatsächlich etwas Angst, wie viele Menschen wollen sie völlig isolieren, wenn draußen sich das Virus frei verbreitet und alle ihrem Tagwerk öffentlich nachgehen?
George Orwell (ja, der!) hat 1945 ein Essay über Nationalismus geschrieben, vor kurzem ist es auf Deutsch erschienen. Unter Nationalismus versteht er ganz allgemein nicht die Verbundenheit mit dem „eigenen“ Land, sondern die gelebte Überzeugung, dieses sei allen überlegen und der Rest der Welt habe sich nach ihm zu richten. Interessant ist, dass er auch andere Formen dieser jeder Überlegung bereits vorgeordneten Entscheidung über Gut und Böse, verzeihlich und unverzeihlich, als Nationalismus bezeichnet – aus Mangel an einem besseren Wort, wie er schreibt. So gehören für ihn auch der politische Katholizismus, der Kommunismus, der Trotzkismus dazu – heute würde er wohl auch noch den politischen Islam und einige andere Varianten dazuzählen. Nationalismus braucht also kein Land, es reicht auch eine Sache. Wesentlich sei die Bereitschaft, sich alles so zurechtzulegen, dass es die Überlegenheit der eigenen Sache bestätige, und die faszinierende Fähigkeit, nicht dazupassende Fakten völlig auszublenden.
Ja, ich hab das gestern Abend gelesen. Ein schmaler Text, viele der Argumente nicht unbekannt, in der Kompaktheit doch wieder gut. Und ich habe wieder eine Erklärung für meine leicht allergischen Reaktionen auf manch hingerotzte Erklärungsversuche, das sei jetzt alles ein Ausdruck des spätkapitalistischen Wahnsinns, des Unsinns der Globalisierung, der Überlegenheit Chinas, des Endes der EU oder was auch immer.
Der Palmsonntag ist auch schon wieder fast vorbei. Zeit, ein wenig mit Frühlingsfotos zu spielen, während mich als Dauergeräusch das Summen der hunderten Bienen begleitet, die die blühenden Kirschbäume abernten.

Zweiundzwanzigster Tag
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- Erstellt am Montag, 06. April 2020 21:21

Dreiundzwanzigster Tag
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- Erstellt am Mittwoch, 08. April 2020 18:33
Vierundzwanzigster Tag
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- Erstellt am Mittwoch, 08. April 2020 18:38

Fünfundzwanzigster Tag
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- Erstellt am Freitag, 10. April 2020 22:02
Die Regierung von Panama hat strenge Geschlechtertrennung angeordnet. Jeden Tag wechselnd dürfen entweder nur Frauen oder nur Männer außer Haus gehen. Der Verkauf von Alkohol wurde auch verboten. Der Sinn dieser Maßnahmen bleibt im Dunkeln, es ist aber immerhin interessant, auf welche Ideen Regierungen so kommen können. Mein Mitgefühl gilt den Panamerinnen und Panamern – oder heißt das Panamesen? Oder Panamaer?
Das „wir“ ist ein superelastisches Wort, ein Zauberwort geradezu. Als Beispiel: Kardinal Schönborn meint, dass „wir“ die Globalisierung korrigieren müssen. Eine seltsame Verwendung des „wir“: sie schließt den Sprecher eigentlich aus. Kein Interviewer kommt nach diesem Satz auf die Idee, das Gegenüber zu fragen, was das für seine Organisation bedeuten würde, schließlich ist die katholische Kirche ja das Musterbeispiel einer global agierenden und noch dazu hochzentralistischen Organisation.
Das ist ein unsituiertes Sprechen. Als schwebte der Sprecher irgendwo, als Instanz, die zu richten habe über die Welt und die ihr gute Ratschläge geben könnte.
Was mir dabei abgeht ist eine Demut ob der Größe und Vielfalt der Welt, und das Wissen, dass es nicht nur an der Blödheit der Menschen (der/die Sprecher/Sprecherin jeweils ausgenommen), an der Skrupellosigkeit der Machthaber etc. liegt, wenn nicht alles hier, dort und in Übersee so ist, wie wir es uns in unseren humanistisch gesinnten Köpfen als SOLL-Zustand ausmalen.
Nur um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Der Kardinal ist mir heute nur zufällig untergekommen. Diese Art des Sprechens findet man quer durch die Weltanschauungen und Blasen.
Our little World: der blühende Ahorn, die blühenden Wildkirschen, und Strukturen von Altholz und vertrocknendem Schilf. Der Autoverkehr war auch schon einmal schwächer. Und an den neuen Alltag habe ich mich schon so gewöhnt, dass ich nicht mehr sicher bin, ob ich mich darauf freue, in der Gegend herumzufahren mit Öffis oder Auto.




