Der 2020 Krisenblog

Achtundzwanzigster Tag

Warm ist es, und mein Gesicht ist braungebrannt, als hätte ich einen Mittelmeerurlaub hinter mir. Ein Ostersonntag mit Eiern, Pinze, und Osterschinken sowie einem zweigeteilten Familienbrunch mit Videoübertragung lässt eigentlich keine Wünsche offen – nur mein desaströses Abschneiden beim DKT trübt die Stimmung. Sobald weitergespielt wird, hoffe ich auf meine persönliche Auferstehung im Mikrokosmos des Spiels, obwohl der baldige Bankrott realistisch betrachtet wahrscheinlicher ist.
Beim Ostereierverteilen an die Nachbarn hat einer von diesen gesagt, anhand meiner täglichen kleinen Postings wisse man immer genau, wie lange dieser Zustand nun schon dauere. Er sei inzwischen schon zur Normalität geworden. Christina erwähnte bei einer anderen Gelegenheit, dass sie gerne wüsste, mit welchem Zeithorizont sie zu rechnen habe, dann könnte sie Pläne schmieden.
Tatsächlich ist es wohl so, dass aus dem Ungewöhnlichen, der Alltagsunterbrechung, schleichend ein neuer Alltag geworden und der frühere Alltag als solcher entschwunden ist, er nicht mehr ganz einfach wieder aufgenommen werden könnte, umstandslos und so, als sei da nur eine kleine Unterbrechung gewesen.
Der neue Alltag wird sich voraussichtlich langsam aufbauen, Schritt für Schritt, und früher Fragloses werden wir nicht einfach wieder machen, sondern wir werden uns entscheiden, was wir machen werden und wie wir es machen werden. Die Unterbrechung wird dafür lange genug gedauert haben. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind da. Trotzdem werden wir auf die Prophezeihungen aus den ersten Wochen der Krise ebenso mild lächelnd zurückblicken wie auf die bereits mit Patina versehenen Utopien von vor einem halben Jahrhundert.
Pläne schmieden in diesen Zeiten? Ja klar doch, wann sonst? Gerade jetzt, mit all den offensichtlichen Unklarheiten, wie sich das Umfeld weiterentwickeln wird, kann und soll man das ganz unbeschwert tun, finde ich. Was dann einmal daraus werden wird ist ähnlich unsicher wie zu vermeintlich ruhigeren Zeiten. Jetzt wird man sich aber herrlich auf Corona ausreden können. Beste Voraussetzungen für kühne Pläne!
Osterglück? Im Wäldchen sitzend das neue Album der Cowboy Junkies hören. Die Hausnebelkrähe sitzt hoch oben in einer Birke und schaut mir dabei zu.
 
2025-11-23 um 14.24.52