Der 2020 Krisenblog

Siebzehnter Tag

In diesen Tagen könnte es sein, dass Diskrepanzen zwischen den eigenen Vorstellungen von Selbstsorge und der Sorge der Familienmitglieder um mich auftreten. Das hat schon Loriot erkannt.
Der Herr Sohn hat in diesem Video zwar einige Muster unserer Kommunikation mit ihm wiedererkannt, meint aber, dass wir die Quarantäne bisher sehr gut hinbekommen. Er freut sich schon auf die Schule und verspricht, sich nach deren Wiedereröffnung ein bis zwei Wochen nicht über sie zu beschweren. Das ist ein ziemlich großes Versprechen. Er habe kurz darüber nachgedacht zu sagen, er werde das „nie wieder“ tun, das sei ihm dann aber doch zu unerreichbar vorgekommen.
Ich lese in der „Bühne“ über die neuen Inszenierungen an Wiens Theatern – und je weniger dies möglich ist umso mehr möchte ich fast alle sehen. Das Gefühl, etwas zu versäumen. Eigentlich ein ganz normales Gefühl in der Stadt. Was man versäumt, überwiegt das, was man nicht versäumt, bei weitem, auch und gerade in normalen Zeiten. Damit konnte ich mich bis heute nicht abfinden. Es gelingt mir nicht, mit dem Faktum der begrenzten Zeit und der Unmöglichkeit, an zwei Orten gleichzeitig zu sein, Frieden zu schließen. Jetzt nimmt mir zwar diese Krise die Entscheidung ab, was ich mir (nicht) anschaue, aber befriedigend ist das auch nicht. Ich bin in der Großstadt, und bin in der Situation von Menschen in den Wäldern der peripheren Landschaften.
13.000 Schritte heute, und ich warte immer noch auf die Entschleunigung. Ich habe gelesen: „Bis vor Kurzem haben wir unter kollektiver Zeitnot gelitten, jeder war im Stress, hatte tausend Dinge zu erledigen und schob eine ganze Halde an Unerledigtem vor sich her.“ Ach, das ging nicht nur mir so? Die Formulierung mit der Halde gefällt mir besonders. Dass im nächsten Satz behauptet wird, nun habe sich alles umgekehrt und die Langeweile mache sich breit, zeigt aber: Jetzt scheine ich zur Minderheit zu gehören. Oder doch nicht?
Schönen Abend noch!
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