Soziales Kapital?

Gut und Böse (Peter Pantucek)

Lieber Meinrad, liebe Manu,

danke Meinrad für Deine Diskussionseröffnung. Ich versuch´s kürzer zu halten, um die Chance auf eine temporeiche Diskussion zu erhöhen. Daher eine nur selektive (und gerne polemische) Replik auf Deine Eröffnung.

Du machst da eine Einteilung zwischen „gut“ und „böse“, wobei Du dem Terminus „Sozialkapital eindeutig die Rolle des Bösen zugeteilt hast. Nun ja. Der Trick ist nicht ganz neu, schon der vielreferierte Text von Bardmann über die Identitätslosigkeit als Identität der Sozialarbeit hat damit gearbeitet, das Vage und Unbestimmte positiv umzudeuten (was dann alle, die sich um begriffliche Klarheit bemühen, in die Welt der Finsterlinge verbannt).

Ich will hier einfach einmal begründen, weshalb ich den Begriff „Ressourcen“ ungern verwende, und dann eine Lanze für eine bestimmte Definition von „Sozialkapital“ brechen.

 

Zuerst also zu den „Ressourcen“

In der Diskussion wird der Ressourcenbegriff gerne als Gegenspieler des Begriffs „Defizite“ verwendet. Auch so eine binärlogische Gegenüberstellung, z.B. wie bei „Lösungsorientierung“ vs. „Problemorientierung“. Wobei von den AnhängerInnen der „Ressourcen“ bzw. der „Lösungen“ auf die größere Menschlichkeit hingewiesen wird. Menschen würden dabei eben in ihren Möglichkeiten und nicht in ihren Störungen und Begrenztheiten gesehen.

Einen solchen Ansatz des „positiven Denkens“ halte ich für mindestens ebenso unerträglich, wie sein inverses Gegenstück. Ich bevorzuge ein Denken in „Ambivalenzen“ oder „Widersprüchen“. M.E. gewinnt man mit dem Einsatz des Ressourcenbegriffs ganz wenig. Ja, ich hab am vergangenen Freitag einen Vortrag von einem Mediziner zu Ressourcendiagnostik gehört, und dort ist es ein Fortschritt, dass sie ihre PatientInnen nicht mehr nur als Träger von Krankheiten sehen. Aber in der Sozialen Arbeit? Da waren wir doch schon weiter.

al">Ich bevorzugte stets in der Arbeit mit KlientInnen, zuerst zu bilanzieren, was ist, und die Bewertung möglichst lange aufzuschieben (oder zwischendurch eine implizite Bewertung zu relativieren). Diese Herangehensweise wirst Du auch in den von mir propagierten diagnostischen Verfahren finden. Über „Behinderungen“, aber auch „Ressourcen“ zu reden, halte ich da meist für kontraproduktiv. Wenn man zu Früh mit diesen Bewertungen arbeitet, läuft man Gefahr, die (bisher schon unproduktiven) Unterscheidungen in Gut und Böse weiterzuschreiben. U.a. deshalb wird etwa bei der von mir empfohlenen Netzwerkkarte eine Bewertung der Beziehungen als „hilfreich“ oder „belastend“ vermieden. So kann ich leichter mit der Ambivalenz arbeiten.

Jetzt zum „Sozialkapital“. Das ist ein Terminus, den ich normalerweise nicht in der Beratung verwenden würde. Für mich erfüllt er eben die Funktion, die sich aus den Beziehungen zu anderen Personen ergebenden Handlungs- und Lebensbedingungen zu kartographieren. Vorerst nüchtern, wie man die finanziellen Möglichkeiten der KlientInnen erkundet und ihren Inklusions-Status. So nebenbei setze ich ihn auch ein, um bei Vorträgen über Netzwerkdiagnostik klar zu machen, worum es dabei geht (z.B. um den unerwünschten Effekt der Zerstörung von Sozialkapital durch institutionelle Hilfe zu thematisieren). Dabei wird leichter klar, dass die Beziehungen zu Profis für KlientInnen eben kaum „Sozialkapital“ darstellen (ich glaub, ich brauch das jetzt nicht ausführen, warum das so ist).

Insofern bezeichnet der „Sozialkapital“-Begriff etwas viel klarer Abgegrenztes (nämlich den „Kontostand“ der persönlichen Verpflichtungen) als der „Ressourcen“-Begriff, ist damit also auch kaum vergleichbar, und der eine kann durch den anderen nicht ersetzt werden.

Peter Pantucek, 2010-02-05