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Das Ende einer Legende

"Ich war Tischtennis-Staatsmeister. Ich spiele heute noch gut, mit meinen 65 Jahren. Im Moment habe ich leider keine Gegner hier. Mit unserem Sozialbetreuer hab ich gespielt. 21:2, 21:3 gewonnen, in dieser Größenordnung. Einmal hab ich ihn gewinnen lassen.”

„lch fühle mich wohl hier. Ich komm mit dem Personal gut aus.”

„Von 45 bis 47 war ich in einem Heim. Seither kann ich keine Klosterschwestern mehr leiden, auch nicht die Pfarrer. Darum halt ich nichts von Heiligkeit. Die Klosterschwestern haben mich mit dem angebrunzten Leintuch stehen lassen, zur Strafe. Klosterschwestern waren das! Ich bin streng katholisch aufgezogen worden in den Heimen."

„Mein Pflegevater hat mich Hendeln stehlen geschickt. Meine Eltern kenn' ich nicht. Ich war gefürchtet im Dorf. Ich war ein Naturkind. Mir hat keiner das Schwimmen, das Traktorfahren, das Autofahren gelernt. Alles habe ich mir selber gelernt.”

Ausschnitte aus einem Gespräch mit Herrn Kurzbauer, Bewohner des Männerheims Meldemannstraße. Sechs Interviews hat ein Arbeitsteam aus der Bundesakademie für Sozialarbeit St. Pölten mit Insassen geführt: Teil der umfangreichen Materialsammlung für das Projekt >>Meldemannstraße - Eine Legende geht zu Ende«.

Wie im AUGUSTIN bereits berichtet, steht das Ende dieser Wiener Institution bevor, die zweifellos eine bestimmte Aura ausstrahlt, wenn auch nicht die feinste. Bis Frühling 2003 soll das riesige Obdachlosenheim in der Brigittenau, das Platz für mehr als 350 Männer bietet, abgewickelt werden. „Es stört im Boom, der den Stadtteil heimsucht”, kommentierte der AUGUSTIN den vermuteten ökonomischen Hintergrund. Die Bewohnerinnen werden zum Teil in ein neues Obdachlosenheim in der Siemensstraße (Floridsdorf), zum Teil in ein neues Pensionistenheim kommen.

Die Träne, die der Anstalt (wiewohl - sie selbst im Obdachlosenmilieu oft auf Verachtung stößt) nachzuweinen ist, wird die Form eines Buches annehmen. Eines Mosaiks, das aus Geschichten aus der und über die „Meldemannstraße”, aus Fotos, aus Interviews und aus Materialien besteht, die das SOZAK-Team in seiner Spurensuche zu Tage förderte.

Es ersucht AUGUSTIN-Leserinnen, die Erfahrungen oder Erlebnisse im Zusammenhang mit der „Meldemannstraße« beisteuern können, um Zusendungen (an die Adresse der AUGUSTIN-Redaktion: 1040Wien, Mostgasse 7/3; augustin@aktiv.co.at).

(entnommen “Augustin, Nr. 90, Februar 2002)