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Historisierung als Bewältigungsstrategie

Erstellt am Donnerstag, 29. April 2010 09:17

2002/03 führte die FH St. Pölten / Soziale Arbeit in den 3 vom Hochwasser 2002 stark betroffenen Gemeinden Grafenwörth, Kirchberg und Königsbrunn ein Gemeinwesenprojekt durch. Ziel war, der kollektiven Traumatisierung mit sozialarbeiterischen Mitteln zu begegnen. In Vorbereitung einer Ausstellung zum ersten Jahrestag des Hochwassers wurden Erzählungen und Fotos gesammelt, zahlreiche Gespräche mit BürgerInnen geführt und schließlich mit der Herausgabe einer Bildchronik zur Historisierung des Geschehens beigetragen.

Das Projekt, dessen Konzept von Gertraud und Peter Pantucek stammte, wurde unter Leitung von Gertraud Pantucek unter Verwendung von Mitteln der ORF-Hochwasserhilfe und in Zusammenarbeit mit der Diakonie Österreich durchgeführt.

Die Wiederveröffentlichung des Abschlussberichts erfolgt 2010 auf der Website pantucek.com, da das Konzept und die Erfahrungen weiterhin für zeitlich begrenzte Projekte der Gemeinwesenarbeit u.E. von großem Interesse sind.

Zitationsvorschlag:

Pantucek, Gertraud / Pantucek, Peter (2003): Historisierung als Bewältigungsstrategie. Gemeinwesenprojekt Hochwasserhilfe Grafenwörth, Kirchberg, Königsbrunn – Abschlussbericht. http://www.pantucek.com/soziale-arbeit/texte/222-historisierung-als-bewaeltigungsstrategie.html, abgerufen am xxxx. St. Pölten.

 

Historisierung als Bewältigungsstrategie:
Gemeinwesenprojekt Hochwasserhilfe

Grafenwörth – Kirchberg – Königsbrunn

Abschlussbericht

St. Pölten, 2003

 

Gertraud Pantucek / Peter Pantucek

 

1. Die Ausgangslage

Die Hochwasserkatastrophe vom August 2002 hat die drei niederösterreichischen Gemeinden an der Einmündung des Kamp in die Donau schwer getroffen. In 9 Orten wurden Häuser, Gärten und landwirtschaftliche Flächen überflutet. Die materielle Hilfe lief sofort an und die außerordentlich hohe Spendenbereitschaft der österreichischen Bevölkerung ermöglichte quantitativ und qualitativ gute Resultate dieser Hilfe. Unterstützung bei individuellen Traumatisierungen kam von den Notfallsteams. Das Gemeinwesenprojekt Hochwasserhilfe Grafenwörth – Kirchberg – Königsbrunn (in der Folge: Gemeinwesenprojekt) konnte auf dieser Vorarbeit aufbauen. Sein Fokus war, wie die Hochwasserereignisse und die darauf folgenden Hilfeleistungen das gesellschaftliche Leben und die Kommunikation in den betroffenen Gemeinwesen beeinflusst hatten und wie kollektive „Verletzungen“ geheilt werden können. Die Ausgangsannahme war, dass ein so schwerwiegendes Ereignis nicht spurlos an den Strukturen kollektiven Bewusstseins und demokratischer Selbstverwaltung vorbeigeht. Was diese Spuren genau sind, musste sich im Arbeitsprozess selbst herausstellen. Rückblickend betrachtet kann die Ausgangslage kurz so skizziert werden: Die betroffenen Gemeinden und Orte haben ihren Ressourcen und der Stärke ihrer jeweiligen Strukturen entsprechend die Ereignisse sehr unterschiedlich bearbeitet bzw. bewältigt. In allen Gemeinden zeigte sich bereits im Vorfeld der Etablierung des Gemeinwesenprojekts ein noch beträchtlicher Bedarf an Kommunikation über die Erfahrungen. Diesbezügliche Angebote waren hoch willkommen. Zahlreiche BürgerInnen waren zwar nicht im engeren Sinne traumatisiert, fühlten sich aber durch das Krisenmanagement oder die Organisation der Hilfe benachteiligt, verletzt, und wünschten, ihre Sicht der Dinge darzulegen. Wie sich bald herausstellte, war eine Ortsgemeinschaft davon in besonderem Maße betroffen und hatte sich in eine schwierige Isolation begeben. In diesem Ort waren auch die Strukturen der Bürgerbeteiligung (v.a.: die Freiwillige Feuerwehr) schwer in Mitleidenschaft gezogen.

2. Das Konzept

Das Gemeinwesenprojekt war methodisch darauf ausgerichtet, die Gemeinwesen bei einer Bewältigung und Historisierung der Hochwassererfahrung behilflich zu sein, also „Geschichte zu konstruieren“. Es ging davon aus, dass die zahlreichen individuellen Erzählungen und Bilder zu einem facettenreichen, aber doch gemeinsamen Bild zusammengefasst werden sollten, das in drei Formen zugänglich sein sollte:

  1. Eine Ausstellung zum Jahrestag des Hochwassers
  2. Eine Bildchronik, also ein Buch über die Ereignisse, das in den Kommunen weite Verbreitung finden soll
  3. Ein abschließendes Ritual, möglichst in zeitlichem Zusammenhang mit der Ausstellung

Teil des methodischen Konzepts war auch der Verzicht darauf, sich selbst als ExpertInnen zu inszenieren.

Es sollten Sprechstunden eingerichtet, gleichzeitig der Kontakt zu Organisationen der Zivilgesellschaft in den Orten gesucht werden. Das Vorhandensein von Konflikten, aber auch von individueller und kollektiver Verbitterung war als Möglichkeit vorbedacht. Der methodische Zugang, der in erster Linie durch ein Interesse an den Sichtweisen der Betroffenen gekennzeichet war, sollte die Bearbeitung dieser Probleme ermöglichen.

In Zusammenhang mit den Vorbereitungsarbeiten sollte es auch möglich sein, für besonders Betroffene individuelle Hilfen zu organisieren.

Dieses Konzept stellte in mehrerlei Hinsicht eine Innovation dar. Es war eine Innovation im Vergleich zu den üblichen, erfolgreichen Formen der Katastrophenhilfe, weil es nicht auf die Unterstützung bei der Beseitigung von Sachschäden und auch nicht auf individualisierende psychologische Hilfe ausgerichtet war. Es zielte auf die Stärkung von lokalen Gemeinschaften. In Bezug auf die geläufigen Konzepte von Gemeinwesenarbeit war es innovativ, weil es von vornherein eine relativ eng begrenzte Einsatzzeit vorsah und thematisch eng fokussiert war. Wir bezeichnen es als Konzept einer anlassbezogenen Gemeinwesen-Kurzintervention.

3. Der Projektablauf

11-02 – 1-03: Bedarfsanalyse, Kontakte mit den Gemeinden, Ausdehnung auf 3 Gemeinden (ursprünglich war nur eine vorgesehen), Wunsch nach Projektdurchführung wird bei einer Gemeindekonferenz bestätigt

2- 03: Beginn: Anstellung der MitarbeiterInnen, Einführung in das Projekt, Sichtung der Betroffenheit und der Auswirkungen, Erstellen eines Folders mit den Angeboten

3-03: Vorstellung in den 3 Gemeinden, Bürgerversammlung in Altenwörth, Installierung von Sprechstunden, Aufteilung von Schwerpunktthemen (GWA-Arbeit, Spendenvergabe, Hochwasserschutz, Einzelfallhilfe), Kontakt zu Hr. Grill – Video über HW, Eingliederung von 2 Langzeitpraktikanten

4-03: viele Einzelgespräche mit Betroffenen, Funktionsträgern (Bürgermeistern, Ortsvorstehern) und ExpertInnen (FF, Caritas, Akutteam), Teilnahme an Vorträgen zum Thema, erste persönliche Berichte werden abgegeben, Ausstellungsgestalter wird engagiert

5-03: Beginn der Fotosammlung, Ortsbegehungen in den betroffenen Gemeinden, Beginn der aktivierenden Gespräche mit ausgewählten Personen je Gemeinde, Kontakt zu HW-Planungsbüro, Abklärung von Härtefällen und Sonderunterstützungen und Erholungsurlauben, Konzeption der Bildchronik und Einladung an Fachexpertinnen, Artikel dazu zu schreiben

6-03: Teilnahme an einem Pfarrcafe, weitere aktivierende Gespräche, Höhepunkt der Fotosammlung (insgesamt mehr als 10.000 von ca. 50 Einzelpersonen und von Organisationen wie FF und Bundesheer), 10 Tiefeninterviews mit Schlüsselpersonen und mit den Bürgermeistern, Gespräche mit FF Winkl, ab 6-03 werden in Winkl die Sprechstunden intensiv genutzt. Sichtung und Sortierung der Fotos für die Ausstellung. Weitere Abklärung von Härtefällen, viele Hausbesuche, Gespräche wegen Bildchronik

7-03: Teilnahme an FF-Festen, Vorbereitung der Ausstellung, Regiearbeiten und Zusammenschnitt des Videos, Erstellen der Begleittexte für die Ausstellung (13 Ständer, beidseitig, regionale Themen und Spezialthemen)

8-03: Pressekonktakte (NÖN, Radio NÖ), Ausstellung am 15.8. (130 BesucherInnen bei der Eröffnung durch Fr. Bezirkshauptmannstellvertreterin, div. Reden von ProjetkmitarbeiterInnen), insgesamt 395 BesucherIinnen in einer Woche; intensive Kontakte zu Betroffenen 

während der Ausstellung: Vortrag von Hr. Kräuterpfarrer Weidinger (72 BesucherInnen) und Diavortrag von Hr. Puttenhauser / Heimatforscher (43 BesucherInnen)

Abbau und Übersiedlung der Ausstellung, Arbeit an der Bildchronik

9-03: Weitere Einzelfallhilfe, 2. Ausstellungseröffnung in Grafenwörth im Rahmen eines Musikfestes und der Neueröffnung des Sportplatzes; 408 AusstellungsbesucherInnen, Arbeit an der Bildchronik

10-03: Fertigstellung der Bildchronik, Einzelfallhilfe, Abschluss der Konfliktbearbeitung in Winkl, Vorbereitung der Buchpräsentation im November in Bierbaum, Winkl und im Dezember in Grafenwörth. Teilnahme an einer GWA-Tagung in Wien

11-03: Buchpräsentation, (98 TeilnehmerInnen in Winkl, ca. 230 TeilnehmerInnen in Bierbaum), Abschlussbesprechung mit Interessierten aus den Gemeinden, Projektabschlussbesprechung und Auswertung.

12-03: Buchpräsentation in Grafenwörth

4. Die Ergebnisse

Die geplante Ausstellung sollte zum Bezugspunkt aller Aktivitäten werden. Die Konzentration auf die Ausstellung brachte methodisch eine Serie von Vorzügen: Die Betroffenen waren aufgerufen, für diese Ausstellung und die Bildchronik ihre Erzählungen, ihre Fotos und Dokumente zur Verfügung zu stellen. Dieser Bezugspunkt war nicht-pathologisierend und ermöglichte allen, ihre eigenen Geschichten (darunter viele Leidensgeschichten) einzubringen, ohne sich selbst als „hilfsbedürftig“ oder „traumatisiert“ darstellen zu müssen. Ausstellung und Bildchronik waren sowohl für die Aktiven, als auch für die Zurückgezogenen ein attraktiver Rahmen, um ihre eigenen Geschichten und ihre Bilder einzubringen. Man war durch die Teilnahme an den Vorbereitungen nicht stigmatisiert.

Die intensive Beteiligung der Betroffenen an der Geschichten- und Bildersammlung bestätigte das Konzept (Details dazu sh. Pkt. 3). Tatsächlich gelang es, mit der Ausstellung (und den dazugehörigen ortsbezogenen Texten), die Erzählungen zusammenzuführen. Das rege Interesse der Betroffenen an der Ausstellung bestätigte den Erfolg dieses Prozesses. Es waren nicht nur die BesucherInnenzahlen, die dies anzeigten, sondern auch die Art und Weise, wie die BesucherInnen die Ausstellung nutzten: Sie kamen in Gruppen, studierten die Tafeln genau und diskutierten sie.

Glanzstück der Arbeit des Gemeinwesenprojekts war der Umgang mit einem schwer betroffenen Ort. Dort konnte allmählich das Vertrauen der kollektiv verstörten Bevölkerung gewonnen werden, die sich gegen außen abgekapselt hatte. Die MitarbeiterInnen des Gemeinwesenprojekts bekamen umfangreiches Videomaterial zur Verfügung gestellt, das sorgsam zu einem eindrucksvollen Video zusammengeschnitten und bei der Ausstellung gezeigt wurde. Begleitet von zahlreichen Gesprächen mit VertreterInnen des Dorfes und den Konfliktgegnern konnten Verhärtungen gelöst und die Voraussetzungen für eine Entspannung geschaffen werden. Der respektvolle Umgang mit den Betroffenen ermöglichte, sie wieder in die regionale Gemeinschaft hereinzuholen. Das Schicksal und die Sichtweise der Bevölkerung wurde in der Ausstellung und in der Bildchronik prominent präsentiert und machte bei den BesucherInnen auch einen nachhaltigen Eindruck. Offensichtlich wurde so ein wesentlicher Beitrag zur Wiederherstellung von „Ehre“ und Verständnis geleistet – was von den DorfbewohnerInnen auch so gesehen wurde. Am Ende des Projetks stand die Bereitschaft einiger ExponentInnen des Dorfes, sich auch Erholung zu gönnen (und ein diesbezügliches Angebot der Diakonie anzunehmen): Ein wesentlicher Schritt nach der Angestrengtheit, mit der der Konflikt geführt worden war. Das begleitende Angebot von Einzelberatung während des Projetkverlaufs war vor allem in diesem Ort wichtig. Wegen der nicht-pathologisierenden Ausrichtung des Gesamtprojekts konnte dies auch von den Betroffenen gut angenommen werden.

Die Orientierung auf Ausstellung und Bildchronik ermöglichte mediative Vorgangsweisen. Der Diskurs über die ortsbezogenen Begleittexte zu Ausstellung und Chronik wurde vielfach zu einem Verständigungsprozess über eine gemeinsame Sichtweise.

Die angestrebte Historisierung der Hochwassereignisse kann als gelungen betrachtet werden. Wie aus zahlreichen Äußerungen von BewohnerInnen hervorgeht, sahen sie die Ausstellung und die Publikation der Bildchronik als Schlusspunkt unter eine Phase, in der das Gemeinwesen von der Katastrophe und ihren Nachwirkungen dominiert war. Nun kann diese Erfahrung (in Form der Bildchronik) „ins Buchregal gestellt“ werden: Sie geht nicht verloren, aber sie ist auch nicht mehr der wichtigste Bezugspunkt des Gemeindelebens.

Als Ritual erfüllte die Eröffnung der Ausstellung in Kirchberg die angestrebte Funktion. Die Eröffnung durch den Bürgermeister, die Reden der ProjektmitarbeiterInnen, der Bezirkshauptmann-Stellvertreterin und des Vertreters der Diakonie wurden vom Publikum mit Aufmerksamkeit verfolgt, die gesamte Veranstaltung war von einer gewissen Feierlichkeit getragen. In Grafenwörth gelang dies durch die Verbindung mit dem Ortsfest – hier konnte an starke lokale Ressourcen zur Krisenbewältigung angeknüpft werden.

Die Beiträge des Gemeinwesenprojekts zur individuellen Traumabewältigung können nur schwer beziffert werden, waren aber zweifelsohne in großem Ausmaß vorhanden. Zahlreiche Personen nutzten die Aussprachemöglichkeiten, um ihre Erzählungen in immer neuen Varianten vorzubringen. Sie genossen die respektvolle Aufmerksamkeit der MitarbeiterInnen. Besonders hervorzuheben ist die auf Winkl fokussierte Beratungsarbeit der Psychologin des Projekts. Auch für ihre Arbeit war die nicht-defizitorientierte und nicht-pathologisierende Ausrichtung des Projekts förderlich.

Hier können zwar vorerst nur Vermutungen angestellt werden, die oben dargestellten Ergebnisse lassen jedoch auf eine Nachhaltigkeit der erzielten Fortschritte hoffen. Eine Konsolidierung der zivilgesellschaftlichen Strukturen im besonders betroffenen Ort Winkl war beobachtbar, die individuellen Verarbeitungsprozesse waren bei den meisten Betroffenen unter anderem durch die Arbeit des Projekts bereits weit gediehen. Die Bildchronik als Symbol für die Historisierung des Geschehens wird in den betroffenen Gemeinden gut angenommen.

Das Projekt zielte auf die Stärkung vorhandener, die Förderung der Selbstreorganisation beschädigter Gemeinwesenstrukturen. Dies gelang durch die Einbeziehung der selbstständigen Dokumentationstätigkeiten von Organisationen (Feuerwehren, Gemeinden) und Einzelnen (Dorfchronisten, Fotografen, ErzählerInnen und Filmer) und die Zusammenführung dieser Beiträge. Fokussiert auf Ausstellung und Bildchronik wurden die Arbeiten der Einzelnen, der zivilgesellschaftlichen Organe der Selbstorganisation und der Behörden und offiziellen Stellen zusammengeführt. Im Ergebnis der Projektarbeit konnte eine wesentliche Reduktion von Konflikten und noch mehr von Kommunikationsblockaden zwischen den AkteurInnen im Gemeinwesen erreicht werden.

5. Die Erfahrungen

· Das Projekt musste nicht erst (wie aus der Arbeit in Stadtteilen bekannt) Identitätsstrukturen aufbauen, die waren überreich vorhanden: Dorf/Gemeinden/Vereine. Sichtbar waren Konflikte in und zwischen verschiedenen sozialen Strukturen.

· In den Dörfern und Gemeinden gibt es im Gegensatz zum Stadtteil dichte Strukturen legitimer Führung, aber auch der Partizipation. Die Gemeinwesenarbeit muss hier also nicht ergänzend Strukturen aufbauen. Dies wurde auch sorgsam vermieden und eine Institutionalisierung der Gemeinwesenarbeit wurde auch nicht in betracht gezogen.

6. Der Ausblick

Nach den Erfahrungen bei diesem Projekt können für künftige Gemeinwesenprojekte, die der Unterstützung kollektiver Bewältigungsprozesse dienen, folgende Schlussfolgerungen gezogen werden:

Einsatzmöglichkeiten der Methodik

Im Praxistest erwies sich der Einsatz nach Katastrophen, die das Gemeinwesen getroffen hatten, als ausgezeichnetes Einsatzgebiet für die oben dargestellte Methodik. Wir empfehlen weitere Projekte ev. auch bei kleinräumigeren Ereignissen als Alternative oder Ergänzung zu bloß individualisierend angelegten Projekten der Traumabewältigung. U.E. ist eine gezielte Aktivierung der Ressourcen der Gemeinwesen nach traumatisierenden Ereignissen ein erfolgversprechender Weg, der ohnehin im Übermaß vorhandenen Tendenzen zur Atomisierung wirkungsvoll entgegentreten kann und unerwünschte Nebenwirkungen des individualisierenden Einsatzes überregionaler Hilfsorganisationen minimiert.

7. Publikationen

Gertraud Pantucek / Peter Pantucek (Hg.): Hochwasser 2002: Grafenwörth – Kirchberg – Königsbrunn. Eine Bildchronik. St. Pölten (Sozaktiv) 2003.

Gertraud Pantucek / Peter Binder: Information und Katastrophe: Hochwasser – was nun? In: Gesellschaft zur Durchführung von Fachhochschulstudiengängen St.Pölten (Hg.): Facts I. Die Informationsgesellschaft. Wien, Köln, Weimar (Böhlau) 2003. S. 213-230.

 

DSA Maga. Gertraud Pantucek

DSA Mag. Dr. Peter Pantucek

FH St.Pölten

Nähere Informationen erhalten Sie bei Peter Pantucek Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder Gertraud Pantucek Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!">


"Leben am Wasser": Die Ausstellungsvorbereitungen

Sozialarbeit als Gemeinwesenarbeit: Nach einigen Monaten mit zahlreichen Gesprächen im Feld bereitet das Projektteam die Ausstellungseröffnung vor.


Gemeinwesenprojekt Hochwasserhilfe: Eröffnung der Ausstellung "Leben am Wasser" in Kirchberg/Wagram

 Am 16. August 2003, ein Jahr nach dem dramatischen Hochwasser, das die Gemeinden Altenwörth, Kirchberg am Wagram und Königsbrunn hart getroffen hat, wird die Ausstellung "Leben am Wasser" in der Kirchberger Wagramhalle eröffnet. Das Projektteam des FH-Studiengangs Sozialarbeit St.Pölten unter Leitung von DSA Mag. Gertraud Pantucek organisierte diese Ausstellung unter reger Mithilfe der Betroffenen. Sie soll dazu beitragen, dass nach den Aufregungen des Hochwassers und der darauffolgenden Aufarbeitung und Schädenbehebung die vielen Geschichten und Erzählungen zu einer gemeinsamen Geschichte verwoben werden. Zu diesem Zweck wird im Oktober auch noch eine Bildchronik erscheinen. Bei der Ausstellungseröffnung gab es bereits rege Beteiligung und intensives Interesse der Bevölkerung. Vor den Schautafeln, rund um die Videos und die Bildershows wurde eifrig diskutiert.


Ausstellung Leben am Wasser in Grafenwörth

Das FH-Projekt Hochwasserhilfe, das unter der Leitung von Mag. Gertraud Pantucek in Kooperation mit der Diakonie Österreich und der Hochwasserhilfe des ORF durchgeführt wurde, hat die Ausstellung "Leben am Wasser" nun auch in Grafenwörth präsentiert. Auch hier gab es reges Interesse. Von den ProjektmitarbeiterInnen waren mehr als 10000 Fotos, Erzählungen und Dokumente gesammelt worden, die die Bewohner der 2002 schwer getroffenen Region zur Verfügung gestellt hatten. Eine kleine Auswahl davon wurde nun gezeigt, im Oktober folgt die Publikation einer Bildchronik. In Grafenwörth sahen wieder hunderte BesucherInnen diese Aufarbeitung des für viele dramatischen Geschehens. Hier war das Ambiente besonders interessant: das Haus der Freiwilligen Feuerwehr. Die Bildchronik wird demnächst im Verlag Sozaktiv erscheinen.


Rede der Projektleiterin DSA Maga. Gertraud Pantucek in Kirchberg

DSA Mag. Gertraud Pantucek, Projektleiterin des Gemeinwesenprojekts Hochwasserhilfe Grafenwörth / Kirchberg / Königsbrunn des FH-Studiengangs Sozialarbeit St.Pölten, der Diakonie und der ORF-Hochwasserhilfe

Rede zur Eröffnung der Ausstellung "Leben am Wasser" in Kirchberg am Wagram
6.8.2003, Wagramhalle Kirchberg

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

Es freut mich, dass sie sich die Zeit nehmen und zu unserer Ausstellungseröffnung erschienen sind. Ich wünsche allen hier Anwesenden einen schönen guten Nachmittag in diesem regenarmen Sommer, der es beinahe schwer macht, sich vorzustellen, was genau vor einem Jahr das große Thema in dieser Region, in ganz Österreich und darüber hinaus gewesen ist: das Thema Hochwasser in einem bisher nicht bekannten Ausmaß.

Vor genau einem Jahr, eben dem 16. August, konnten jene, die wegen der Überschwemmung ihre Häuser verlassen mussten, erstmals wieder nach Hause zurück kehren. Dort waren sie mit den Folgen des Hochwassers konfrontiert. Jede und jeder ging sofort daran, die Verwüstungen aufzuräumen, aufgeweichte Möbel zu entfernen, Mauern abzuspritzen und abzuschlagen, Wäsche zu waschen, Keller auszupumpen und vieles mehr. Viel war zu tun und es wurde eifrig gearbeitet, auch mit Unterstützung von Organisationen wie dem Bundesheer, vielen Feuerwehren und von vielen einzelnen Helfern, die aus beinahe ganz Österreich kamen. Aus ganz Österreich – und darüber hinaus – kamen auch viele Sach- und Geldspenden, die in kleinen und größeren Aktionen möglichst gerecht an die Betroffenen verteilt wurden.

Wir haben von unserem Gemeinwesenprojekt Hochwasserhilfe den 16.8. bewusst als jenen Jahrestag gewählt, an dem wir unsere Foto-, Video- und Textausstellung eröffnen wollen. Wir sehen ihn als Jahrestag, an dem die Bewältigung und Verarbeitung der Katastrophe begonnen werden konnte. Seitdem ist viel geschehen. Die materiellen Schäden konnten in vielen Häusern beseitigt werden, jedoch noch nicht in allen. Manche Häuser oder zumindest Räume müssen nach wie vor austrocknen und die Ordnung im Alltagsleben, die es vorher gab, ist für manche so noch nicht vorhanden.

Ich möchte nun genauer das Projekt Hochwasserhilfe beschreiben und das, was wir bisher getan haben und wie diese Ausstellung zustande kam. Eigentlich gleich nach Katastrophe, im September vorigen Jahres, gab es seitens der Diakonie eine Anfrage an den Studiengang Sozialarbeit der Fachhochschule St. Pölten, ob es über die jeweilige Einzelfallhilfe hinaus, noch Möglichkeiten gäbe, betroffene Orte oder Gemeinden bei der Bewältigung zu unterstützen. Klassische Sozialarbeit kümmert sich nun auch überwiegend um Einzelschicksale, also um einzelne Familien, Kinder und Jugendliche, ältere, kranke oder finanziell bedürftige Menschen und solche, die sich aus irgendwelchen Gründen in schwierigen Situationen befinden. Zusätzlich aber auch um strukturelle Fragen, um die Organisation sozialer Hilfe, um Fragen besonderer Betroffenheit und um Lebensqualität. Eine spezielle Methode der Sozialarbeit ist dabei die so genannte „Gemeinwesenarbeit“, bei der möglichst viele Menschen und Ideen einzubeziehen sind, Netzwerke gebildet werden und meist Fragen von Verständnis, Ausgleich und Vermittlung im Vordergrund stehen. (Für jene, die das genauer interessiert, gibt es da bei unseren Arbeitstischen eine Beschreibung dazu). Im konkreten Fall der Hochwasserhilfe gingen wir davon aus, dass es um die Wiederherstellung von Lebensqualität gehen müsse und um das Vertrauen in die Zukunft. Dazu hatten wir 2 Überlegungen, die wir seitdem in unserem Projekt verfolgen:

Erstens: war unser Angebot an die Gemeinden und die Betroffenen, die Ereignisse rund um die Flut für diese Region genau zu recherchieren und zu dokumentieren. Recherchiert haben wir bei den von der Flut Betroffenen und bei jenen, die für das Krisenmanagement verantwortlich waren. Und das sind viele verschiedene Systeme, die da ineinander greifen. Sie können dazu den vorgesehenen Ablauf des NÖ-Katastrophenschutzes auf einer Tafel hinten studieren. Das ist der Plan dazu, die Umsetzung ist - wie viele von ihnen miterlebt haben -, eine sehr komplexe Aufgabe. Beim Krisenmanagement wollten wir daher auch wissen, was sich besonders bewährt hat und diese Beispiele von „guter Praxis“ herausfinden und möglichst vielen zu berichten.

Die Dokumentation der vergangenen Ereignisse wird von uns in zweifacher Form zusammengestellt: hier da als Foto-, Video-, und Textausstellung und dann noch in schriftlicher Form in einer so genannten „Bildchronik“, die Ende September, Anfang Oktober erhältlich sein wird. (Ein Beispiel für solch eine Bildchronik liegt auch auf einem unserer Tische. Es beschreibt die Flut in Dresen und in Teilen von Deutschland). Für die Ausstellung und die Chronik haben wir mehr als 5000 Fotos von Betroffenen und Hilfsorganisationen zur Verfügung gestellt bekommen – einen kleinen Ausschnitt davon können wir hier zeigen.

Wir haben die Fotos nach Orten geordnet und nach so genannten „Spezialthemen“, die in allen Orten zu behandeln waren, wie z.B. die Katastrophenhilfe, das Aufräumen, die Betreuung der Medien und anderes.

Zusätzlich haben wir mit VertreterInnen und Verantwortlichen von Behörden und Organisationen Gespräche geführt. Zitate aus den Gesprächen oder auch Texten, die sie uns geschickt haben, finden Sie an den hinteren schwarzen Stellwänden. Dort findet sich z.B. auch ein Resümee vom Herrn Bezirkshauptmann. Das sind jeweils nur Einzelaussagen, die gesamten Texte werden dann in der Bildchronik zu lesen sein.

Zeigen werden wir auch 2 Videozusammenschnitte: einen der den Verlauf des Wassers in allen 3 Gemeinden zum Inhalt hat und einen, der die besondere Situation von Winkl zusammenfasst.

 

Zweitens: und nicht weniger wichtig für uns, ist aber der Blick in die Zukunft. Hochwasserschutz allgemein, in technischer und behördlicher Hinsicht ist vernünftigerweise ein Thema, das jene bewegt, die „am Wasser leben“ und in der Nähe von Flüssen. 

„Den Flüssen soll wieder mehr Raum gegeben werden“, war ein schönes Zitat, das ich in einer Zeitung dazu gelesen habe. Auch da geht es wieder um Fragen von Umsetzung und das Ineinandergreifen von verschiedenen Interessen und Systemen. Und auch dazu haben wir recherchiert, was da konkret für diese Region geplant ist. Wichtig wird dabei sein, wie sich lokales Wissen mit dem Wissen von Experten und den Aufgaben von Behörden verbinden lassen kann. Auch da lässt sich vom Vorjahr lernen und wird das auch eifrig auf Behörden- und Expertenebene getan. Sie können sich dazu z.B. eine dicke Studie der Hochwasserplattform der Wiener Universität für Bodenkultur ansehen. 

In unserem Projekt sehen wir eine Aufgabe auch darin, die Ideen der lokalen Ebene und der im Vorjahr Betroffenen einzubringen und den Austausch zwischen Behörden, Verantwortlichen und BürgerInnen zu stärken. Das Ziel dabei ist, eine optimale Katastrophenvorsorge zu entwickeln. Und dies nicht nur für den Fall eines Hochwassers, sondern generell. Und da könnten neben den Behörden, Feuerwehren, Rettungsorganisationen auch sonstige zivile Personen in der Gemeinde gut darauf vorbereitet sein. Dazu laden wir sie ein, von ihrer Seite noch konkrete Ideen einzubringen oder auch Vorschläge, wie daran gearbeitet werden kann (in Gesprächsrunden, in Workshops, im Internet o.ä.) und wer daran arbeiten sollte oder möchte. 

Ja, diese 2 Punkte (Aufarbeitung der Ereignisse aus dem Blickwinkel der Betroffenen und Planung für die Zukunft) wurden und werden noch über diese Ausstellung hinaus in diesem Projekt behandelt. Da Grafenwörth, Kirchberg, Königsbrunn so nahe beisammen liegen und auch im Vorjahr das Wasser von einem Ort zum nächsten weiter geflossen ist, haben wir sie hier als eine Region zusammengefasst. Wir wissen, dass es in jeder Gemeinde viele (Einzel)-Schicksale gibt, aber auch ein gemeinsames örtliches Bewusstsein und eine gemeinsame Zukunft. 

In dieser Ausstellung haben wir die Fotos der 3 Gemeinden auf sicheren kleinen Inseln arrangiert. Vielleicht kann es ja gelingen, dass sie in Zukunft ganz trocken bleiben oder die Schäden gering zu halten sind.

Wiederaufbau, Bewältigung und eine gute Vorsorge sind lange und ausführliche Aufgaben. Wir hoffen, dass wir dazu einen Beitrag leisten können. Sie laden wir dazu ein, sich mit der Ausstellung einen kurzen Rückblick in eine schwierige Zeit anzuschauen. Danach können sie wieder in eine schon bessere Gegenwart gehen und in eine hoffentlich gute Zukunft.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!