Links, rechts und andere Irritationen. Anmerkungen zu einem Kommentar von Roland Fürst.

Erstellt am Donnerstag, 13. April 2017 11:30

Roland Fürst hat einen Kommentar im Standard geschrieben. Hier eine Replik. Die Debatte auf meinem Facebook-Account finden Sie hier.

Die SPÖ schert sich schon längere Zeit nicht um die „klassischen Wählergruppen der Partei“. Es könnte sein, dass er damit die Schwächsten in dieser Gesellschaft meint: „Diese Menschen müssen mit Löhnen und Transferleistungen auskommen, die sie an oder unter die Armutsgrenze zwingen. Die durchschnittliche ASVG-Pension für Frauen beträgt € 944,-.“ schreibt Fürst. Wie wahr. Schlägt er hier einen Kurswechsel vor? Das tut er nicht. Soweit es sich aus dem Text erschließt, ist die „Lösung“, die ihm vorschwebt, eine Kombination aus dem Ende multikultureller Toleranz und eine rigide Beschränkung der Zuwanderung. Was das an der Lage der Schwächsten ändern soll, bleibt offen. Werden dadurch die skandalös niedrigen ASVG-Pensionen höher? Echt jetzt?

Es irritiert auch, dass Fürst Toleranz als „Ausfluss des schlechten Gewissens und eines gewaltigen Schuldkomplexes“ bezeichnet, von dem man sich „verantwortungsvoll lösen“ müsse. Toleranz ist also nicht eine Errungenschaft der Demokratie und der Aufklärung, sondern so etwas wie eine posttraumatische Belastungsstörung? Eine zu überwindende Krankheit?

Fürst bevorzugt es, anstelle von Argumenten moralische Verurteilungen zu setzen. Wer anders argumentiert als er, sei „arrogant“ oder „zynisch“. Als zynisch bezeichnet er etwa die Kritik daran, dass Österreich versucht jene Vereinbarung zu unterlaufen, für die es sich selbst im Rahmen der EU engagiert hat, nämlich die „Relocation“ von Flüchtlingen. Jetzt kann man über diesen Plan geteilter Meinung sein – sich an Vereinbarungen zu halten gehört aber zum nötigen Minimum eines zivilisierten Umgangs von Staaten untereinander.

Fürst beruft sich auf Immanuel Kant und auf Max Weber. Leider führt er nicht aus, inwiefern seine Argumentation eher den Prinzipien des kategorischen Imperativs bzw. der Verantwortungsethik gerecht wird als die von ihm angegriffenen Positionen der Toleranz. Was er dabei auch unerwähnt lässt: Die Kritiker und Kritikerinnen der Regierungspolitik zum Fremdenrecht mögen auch moralisch argumentieren, ihr stärkstes Argument ist aber ein anderes, nämlich dass internationale Verträge und Rechtsnormen einzuhalten sind. Die Missachtung internationaler Normen ist hochgefährlich. Sie untergräbt die internationale Friedensordnung. An ihre Stelle kann nichts anderes als ein Rückfall in Nationalismen treten. Und ja, da hat auch die sogenannte Linke umfangreich Schuld auf sich geladen. Wie das mit Immanuel Kants ethischen Argumentationen zusammengehen soll, das hätte ich recht gerne von Roland Fürst erklärt.

Die nationalistische Beantwortung sozialer Fragen, das ist „rechts“. Fürst fordert nicht die Intoleranz gegenüber sozialem Ausschluss. Er beklagt das Abdriften von großen Teilen der Bevölkerung in Armutslagen. Er fordert aber nicht eine Verbesserung der Lage der Exkludierten, sondern ein Ende multikultureller Toleranz. Wenn das nicht „rechts“ ist, was dann? Wenn das nicht die Bedienung von Ressentiments als Ersatz für soziale Politik ist, was dann?

 

Peter Pantuček-Eisenbacher ist Sozialarbeiter und Sozialwissenschafter, er leitet das Department Soziales an der FH St. Pölten und ist Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Soziale Arbeit.